Forschungsgruppe Versorgungsforschung und Qualitätsmanagement
Forschungsschwerpunkte
Entwicklung und Evaluation von Instrumenten und Methoden des psychiatrischen Qualitätsmanagements, Durchführung von Projekten zu Behandlungsqualität und Leitlinientreue gegenwärtiger psychiatrischer Versorgung, Entwicklung und Erprobung integrierter Versorgungsmodelle. Untersuchungen zur Inanspruchnahme des Gesundheitssystems aufgrund von psychischen Störungen sowie Analyse von Versorgungspfaden. Entwicklung von Qualitätsindikatoren für psychische Störungen und deren Implementierung im klinischen Alltag.
Disziplinen- und Sektoren-übergreifende Versorgungs-Analyse mit dem Ziel einer Optimierung der Versorgungs-Situation von Menschen mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. med. W. Gaebel
Die Studie umfasste neben einer systematischen Literaturrecherche zur Versorgungssituation bei psychischen Erkrankungen bundesweite und regional differenzierte Analysen zur sektoren- und disziplinenspezifischen bzw. -übergreifenden Inanspruchnahme des Gesundheitssystems einschließlich Behandlungsmaßnahmen im ambulanten Bereich. Analysen zu Versorgungspfaden, zur Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung sowie zur Häufigkeit krankheitsbezogener Ereignisse im Versorgungsverlauf wie Wiederaufnahmen, Arbeitsunfähigkeiten, Erwerbsminderungsrenten und Tod einschließlich Prädiktoranalysen zu ungünstigen Versorgungsverläufen wurden ebenfalls durchgeführt. In der Studie wurden erstmalig Versorgungsdaten von mehreren Krankenkassen und der Deutschen Rentenversicherung-Bund über einen Beobachtungszeitraum von drei Jahren (2005-2007) zusammengeführt. Die Studie wurde gefördert durch die Bundesärztekammer sowie durch Mittel der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN).
Ergebnisse
- Die Literaturübersicht zeigte eine steigende Inanspruchnahme aufgrund psychischer Störungen.
- 33% aller Versicherten haben im Dreijahreszeitraum Kontakte zum Versorgungssystem aufgrund psychischer Störungen.
- Bei mehr als der Hälfte aller psychisch Erkrankten werden im Dreijahreszeitraum – entweder im Quer- oder im Längsschnitt - mehr als eine psychische Störung diagnostiziert (F0-F5).
- Je nach psychischer Erkrankung befinden sich 88%-99% der Versicherten mit psychischen Störungen im Untersuchungszeitraum auch aufgrund einer somatischen Erkrankung in Behandlung.
- Die Mehrzahl der Behandlungsepisoden findet im ambulanten Sektor statt. 13,4% aller Behandelten haben Kontakte sowohl zum ambulanten als auch zum stationären Sektor.
- Sowohl im ambulanten als auch im stationären Sektor überwiegen Behandlungen durch somatische Professionen/Institutionen.
- Von krankheitsbezogenen Ereignissen im Versorgungsverlauf im Sinne hoher Frühberentungs- und Mortalitätsraten ist vor allem die diagnostische Gruppe F2 betroffen.
- Bei allen Diagnosen finden sich unter den häufigsten Versorgungspfaden diejenigen mit ambulantem Behandlungsabbruch.
- Im Stadt-Land-Vergleich sowie im Vergleich der alten und neuen Bundesländer zeigen sich nur geringe Differenzen in der Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen und in den krankheitsbezogenen Ereignissen.
Zusammenfassend belegen die Ergebnisse das hohe Potential von Sekundärdatenanalysen für die Deskription von sektoren- und disziplinenspezifischen wie -übergreifenden Inanspruchnahmen des Versorgungssystems aufgrund psychischer Erkrankungen und Komorbiditäten.
(1) Gaebel W, Zielasek J, Kowitz S, Fritze J. Patienten mit Psychischen Störungen: Oft am Spezialisten
vorbei. Dtsch Ärztebl 2011; 108(26): A-1476 / B-1245 /C-1241.
(2) Gaebel W, Kowitz S, Zielasek J. The DGPPN research project on mental healthcare utilization in Germany: inpatient and outpatient treatmen of persons with depression by different disciplines. Eur Arch Psychiatr Clin Neurosci 2012;262: 51-55.
(3) Gaebel W, Kowitz S, Fritze J, Zielasek J. Use of health care services by people with mental illness-secondary data from three statutory health insurers and the German statutory pension insurance scheme. Dtsch Arztebl Int 2013; 110:799-808.
Patienten mit Angsterkrankungen und somatoformen Störungen: Versorgungspfade und ihre Ergebnisse - Eine Sekundärdatenanalyse
Projektleiter: Univ.-Prof. Dr. med. W. Gaebel
Somatoforme Störungen und Angsterkrankungen gehören in Deutschland zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Ziel der Studie ist eine Analyse der Versorgungspfade bei somatoformen Störungen und bei Angsterkrankungen. Es soll ermittelt werden, ob bzw. welche Charakteristika des Versorgungsverlaufs einen signifikanten Einfluss auf das Eintreten kritischer Ereignisse im Versorgungsverlauf (Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsminderungsrente, Mortalität) haben. Für die Analyse genutzt werden Sekundärdaten dreier Ersatzkassen und der Deutschen Rentenversicherung Bund aus den Jahren 2005-2007.
Die Analyse zielt darauf ab, Empfehlungen zur optimalen Behandlung und interdisziplinären Zusammenarbeit bei der Versorgung von somatoformen Störungen und Angsterkrankungen zu entwickeln, um die Häufigkeit des Eintretens der genannten kritischen Ereignisse im Versorgungsverlauf zu minimieren und die Einschränkung der psychosozialen Funktionsfähigkeit der Patienten möglichst gering zu halten. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Förderprogramms „Studien in der Versorgungsforschung" gefördert.
Entwicklung von Qualitätsindikatoren für die Versorgung bei psychischen Störungen
Projektleiter: Univ.-Prof. Dr. med. W. Gaebel
Qualitätsindikatoren sind wichtige Instrumente zur Messung und Sicherung der Versorgungsqualität bei psychischen Erkrankungen. Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) wurden evidenz- und konsensbasierte Qualitätsindikatoren für die sektorenübergreifende Versorgung von Personen mit Alkoholabhängigkeit, Depression, Schizophrenie und Demenzen entwickelt. Die Qualitätsindikatoren wurden in einem strukturierten Konsensusprozess unter Einbeziehung von Vertretern relevanter Interessen- und Berufsverbände sowie Vertretern von Betroffenen und derer Angehöriger konsentiert.
In einem zweiten Projektteil werden die Qualitätsindikatoren in einem Praxistest evaluiert. Hieran beteiligen sich sowohl die Fachkliniken für Psychiatrie und Psychotherapie des LVR-Klinikverbunds als auch die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwigs-Maximilians-Universität München.
(1) Großimlinghaus I, Falkai P, Gaebel W, Janssen B, Reich-Erkelenz D, Wobrock T, Zielasek J (2013) Entwicklungsprozess der DGPPN-Qualitätsindikatoren. Nervenarzt 84: 350-365.
(2) Wobrock T, Reich-Erkelenz D, Janssen B, Sommerlad K, Gaebel W, Falkai P, Zielasek J (2010) Qualitätsindikatoren in der Psychiatrie. Die Psychiatrie 7: 1-11.
(3) Zielasek J, Großimlinghaus I, Janssen B, Wobrock T, Falkai P, Reich-Erkelenz D, Riesbeck M, Gaebel W (2012) Die Rolle von Qualitätsindikatoren in der psychiatrischen Qualitätssicherung und aktueller Stand der Entwicklung von Qualitätsindikatoren. Die Psychiatrie 9: 46-52.
Mental Health Quality Indicator Project der International Initiative for Mental Health Leadership (IIMHL)
Projektleiter: Univ.-Prof. Dr. med. W. Gaebel
Das mehrphasige Projekt der IIMHL verfolgt das Ziel, Definitionen, Methoden, Aktivitäten sowie gemeinsame und unterschiedliche Themenbereiche innerhalb der internationalen Entwicklungsprozesse von Qualitätsindikatoren für die Versorgung bei psychischen Störungen zu identifizieren und langfristig ein Rahmenkonstrukt für den Vergleich zwischen den Qualitätsindikatoren in den teilnehmenden Staaten zu entwickeln und zu implementieren.
Darüber hinaus befasst sich die IIMHL in einem weiteren multidisziplinären evidenz- und konsensbasierten Teilprojekt mit der Entwicklung von Qualitätssicherungsinstrumenten zum Thema Recovery. Es wird eine schrittweise Strategie zur Optimierung der Entwicklung Recovery-orientierter Indikatoren zur Qualitätsverbesserung ausgearbeitet.
Die Forschungsarbeiten werden von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) finanziell unterstützt.
(1) Spaeth-Rublee B, Pincus HA, Huynh PT, IIMHL Clinical Leaders Group. Measuring Quality of Mental Health Care: A Review of Initiatives and Programs in Selected Countries. Can J Psychiatry 2010;55: 539-548.
Prävention fremdaggressiven Verhaltens im Rahmen psychotischer Störungen durch Behandlungsoptimierung mittels ambulanter Komplexintervention – PsychPräv
Projektleiter: Priv.-Doz. Dr. med. B. Janssen, Univ.-Prof. Dr. med. W. Gaebel
Es soll eine Behandlungsoptimierung unter Einbeziehung erprobter leitlinienkonformer Behandlungsangebote und forensischer Nachsorgeelemente bei Patienten der Allgemeinpsychiatrie mit den Diagnosen aus dem schizophrenen Spektrum (ICD 10: F2, unter besonderer Berücksichtigung der Sub- und Verlaufstypologie) oder einer bipolaren Störung mit manischer Symptomatik (ICD 10: F31.0, F31.1, F31.2, F31.6, F31.8), erreicht werden, die durch krankheitsbedingt fremdgefährdende Fehlhandlungen auffällig geworden sind und ein erhöhtes Risiko für eine forensische Entwicklung aufweisen. Ziel ist es, durch die Optimierung der Behandlung dieser Patientengruppe den Verlauf der Erkrankung positiv zu beeinflussen und fremdgefährdende und delinquente Fehlhandlungen zu verhindern.
Durch evidenzbasierte, leitlinienkonforme Behandlung, unter besonderer Berücksichtigung von Komorbiditäten aus dem Suchtbereich und einer Fokussierung auf Compliance-fördernde Elemente, sollen künftige öffentlich-rechtliche (Psych-KG NRW) und strafrechtliche (§63 StGB) Unterbringungen möglichst vermieden oder zumindest reduziert werden. Es wird eine spezifische Intervention in Form eines modularen komplextherapeutischen Angebots durchgeführt. Diese umfasst ärztliche, psychotherapeutische und soziotherapeutische Maßnahmen unter besonderer Berücksichtigung deliktogener Faktoren, insbesondere in Form komorbider Suchtproblematik und fehlender Behandlungscompliance.
Es wird erwartet, dass daraus neben einer Verbesserung des psychopathologischen Befundes eine Verbesserung des sozialen Funktionsniveaus resultiert. Das Projekt wird im Kontrollgruppendesign (Kontrollgruppe aus der LVR-Klinik Köln) durchgeführt.
(1) Frommann N, Luckhaus L, Dönisch-Seidel U, Gaebel W, Janssen B (2012) Schizophrenie und Fremdaggression: Ein Projekt zur Prävention fremdaggressiven Verhaltens im Rahmen psychotischer Störungen durch Behandlungsoptimierung in der Allgemeinpsychiatrie. Recht und Psychiatrie 2012; 30:180-186
Versorgungsverläufe von Menschen mit psychischen Erkrankungen- die Wirkung innovativer betriebsnaher Versorgungsnetzwerke (BVN)-Düsseldorfer Modellprojekt "Betriebsnahe integrierte Versorgung"
Projektleitung: Priv.-Doz. Dr. med. B. Janssen, Univ.-Prof. Dr. med. W. Gaebel
Der seit November 2010 in Kraft getretene integrierte Versorgungsvertrag (IGV) "psychische Versorgung" ist ein wesentliches Element des Gesundheitsmanagements des Unternehmens. Der IGV wurde zwischen dem werksärztlichen Dienst der Henkel AG, der BKK-Essanelle, bei der ca. 50% der Beschäftigten des Betriebes versichert sind, dem LVR-Klinikum Düsseldorf und einem Medizinischen Versorgungzentrum (MVZ) für Psychiatrie und Psychotherapie geschlossen. Ziel des IGV ist es, den Versorgungsprozess von psychisch erkrankten Beschäftigten des Unternehmens zu optimieren und eine hohe Versorgungsqualität zu gewährleisten. Alle Leistungen werden von der BKK Essanelle übernommen. Der Vertrag legt ein strukturiertes Vorgehen fest, das beginnt, wenn dem werksärztlichen Dienst der Firma Informationen über eine beginnende oder manifeste psychische Erkrankung eines Betriebsangehörigen vorliegen.
Erste Ergebnisse zeigen dass durch die Implementierung dieses Versorgungsmodells in Düsseldorf die Verzahnung zwischen psychiatrischer Akutbehandlung und Werksärztlichem Dienst zu einer Optimierung der Behandlung psychischer Störungen führt. Auch die Arbeitsunfähigkeitstage im Betrieb (Henkel) wurden deutlich verringert, im Vergleich zu den Zeiten vor der Implementierung des Modells. Andererseits stehen solche Integrationsmodelle, insbesondere im Bereich der psychischen Gesundheit, aus der gesundheitsökonomischen Sicht unter dem Verdacht zusätzliche Kosten zu Lasten des Gesundheitssystems aufzubauen.
Vor diesem Hintergrund ist eine umfassende Evaluation des Versorgungsnetzwerks unabdingbar, um Wirksamkeit des Betriebsnahen Versorgungsnetzwerks, auch aus der langfristigen Perspektive zu beurteilen. Ein entsprechender Antrag wird zu Zeit gemeinsam mit Prof. Angerer (Institut für Arbeitsmedizin der HHU) unter Hinzuziehung einer Vergleichsstichprobe gestellt. Das klinische IV-Projekt wird natürlich unabhängig davon weitergeführt.
(1) Janssen B, Gaebel W (2014) Grundsätzliche Therapiemöglichkeiten von psychischen Erkrankungen im Betrieb. In: Psychische Erkrankungen im Betrieb, Hrsg: Windemuth D; Petermann , Jung. In press.
(2) Janssen B, Riesbeck M, Karnowsky-Seele U, Gaebel W. Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen aus Betrieben - Erfahrungen aus der Zusammenarbeit zwischen werksärztlichen Dienst und psychiatrischer Spezialambulanz. Poster DGPPN Kongress 2012.
Home treatment- Düsseldorfer Modell
Projektleitung: Dr. med. W. Görtz
Menschen mit schweren psychotischen Störungen in akuten Krankheitsphasen haben die Möglichkeit sich von einem mobilen multiprofessionellen Team zeitlich begrenzt in ihrem gewohnten Lebensumfeld behandeln zu lassen. Das Behandlungsteam besteht aus Ärzten, Pflegern, Ergotherapeuten und Sozialarbeitern, die therapeutische Maßnahmen nach einer strukturierten Bedarfsermittlung mit dem Patienten zu Hause durchführen. Das Projekt wird bezüglich seines Nutzens wissenschaftlich überprüft.
(1) Arnds S, Sturm D, Görtz P. Signifikante Abnahme der stationären Verweildauer durch manualisiertes Assessement-gesteuertes Home Treatment, Posterpreis DGPPN-Kongress 2013.
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