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1967 bis 1992

Aufbruch der Psychiatrie - Die Klinik unter der Leitung von Caspar Kulenkampff und Kurt Heinrich

Historisches Foto: Prof. Dr. Caspar Kulenkampff
Prof. Dr. Caspar Kulenkampff

1967 bis 1992

Ende der 1960er Jahre wurde deutlich, dass die psychiatrischen Anstalten insgesamt einer grundlegenden Reform bedurften. In Grafenberg wurde der Reformprozess durch Prof. Dr. Caspar Kulenkampff eingeleitet, der 1967 zum Leitenden Direktor der Klinik berufen wurde. Kulenkampff, der sein medizinisches Staatsexamen 1946 ablegte, gehörte der ersten Generation der "Nachkriegspsychiater" an. Mit Kulenkampffs Namen eng verbunden ist die "Psychiatrie-Enquete" des Deutschen Bundestages, die von 1971 bis 1973 die Situation in der Psychiatrie beleuchtete und Lösungsvorschläge entwickelte. Kulenkampff war Vorsitzender der Kommission. Als Kulenkampff 1971 die Leitung der Gesundheitsabteilung des Landschaftsverbandes Rheinland übernahm, führte sein Nachfolger Prof. Dr. Kurt Heinrich die Reformen fort.

1967 hatte die Klinik in Grafenberg mit 1.615 Betten ihren Höchststand erreicht. Trotz der umfangreichen Baumaßnahmen stand etwa ein Drittel (540) der Betten des Landeskrankenhauses in zwölf überalterten abbruchreifen Gebäuden. Auch die fachlichen Konzepte waren veraltet.

Grundlegend war, dass sich die Haltung zu den Patient*innen und ihren Krankheiten veränderte. Sie sollten als Individuen respektiert werden, deren Würde und Intimsphäre es zu schützen galt. Dieser Wandel drückte sich auch darin aus, dass die Anstaltsdrilliche abgeschafft wurden und die Kranken eigene Kleidung, Unterwäsche, Zahnbürsten und Rasierapparate erhielten. Die strikte Trennung zwischen Männern und Frauen wurde 1968 aufgegeben. Auf einer Station wurden sie gemeinsam betreut, nur nachts schloss sich die Tür zwischen den Aufenthaltsräumen. Die Patient*innen überwanden ihre Passivität und Isolation.

Die Situation der Menschen mit geistiger Behinderung

Etwa 400 geistig behinderte Menschen lebten in der Klinik. Ihre Behinderung wurde nun nicht mehr als Krankheit bewertet, die eine Behandlung nötig macht, sondern als ein Unvermögen, sich dem komplexen Alltag anzupassen und ihn zu bewältigen. Mit Begleitung, Förderung und Assistenz sollten sie zu einem selbstbestimmten Leben geführt werden. 1974 wurden deshalb erstmals Heilpädagogen eingestellt. Die Normalisierung der anstaltstypischen Lebensbedingungen wurde zum Hauptanliegen und führte 1986 dazu, eine eigene Abteilung für geistig behinderte Erwachsene zu bilden. Seit 1991 gehört sie zum Heilpädagogischen Heim Langenfeld. Langsam entstanden Außenwohngruppen und die Heimstrukturen wurden aufgelöst. Die letzten Bewohner*innen verlassen im Jahr 2002 das Klinikgelände.

Betonhäuser im grünen
Neubauten an den Rheinischen Kliniken Düsseldorf
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Aufbau neuer Strukturen

Seit 1967 existierte eine Tagesklinik auf dem Gelände; 1968 kam mit der Poliklinik ein ambulantes Behandlungsangebot vor allem für chronisch Kranke hinzu. Chronisch Kranke wurden zunehmend aus der Klinik entlassen und lebten in Heimen. 1972 wurde ein ehemaliges Hotel in der Düsseldorfer Innenstadt als Übergangs- und Rehabilitationsstation in Betrieb genommen. Im "Franz-Sioli-Haus" fanden 24 chronisch Kranke einen Ort, der sie auf ein selbständiges Leben außerhalb der Anstalt vorbereiten sollte.

1989 entstand in Düsseldorf ein erstes "Sozialpsychiatrisches Zentrum" , das vom Landschaftsverband Rheinland mitfinanziert wird. Das Zentrum hat die Aufgabe, Patient*innen nach der Entlassung zu betreuen und ihnen als Kontakt- und Beratungsstelle zur Verfügung zu stehen. Angebote wie das sogenannte Betreute Wohnen oder tagesstrukturierende Maßnahmen kamen hinzu.

Das Einzugsgebiet verkleinerte sich

Im Sinne einer gemeindenahen psychiatrischen Versorgung wurde das Einzugsgebiet der Klinik verkleinert. So wurden Vereinbarungen mit freigemeinnützigen Trägern abgeschlossen:

  • 1979 für die Versorgung im Kreis Neuss mit dem St. Alexius-Krankenhaus und dem St. Josef-Krankenhaus in Neuss
  • 1982 für die Versorgung in den Städten Ratingen (und Umgebung) und in Mülheim an der Ruhr (südliche Stadtteile) mit dem Theodor-Fliedner-Krankenhaus in Ratingen-Lintorf.
  • 1990 mit dem Florence-Nightingale-Krankenhaus des Diakoniewerks Kaiserswerth für die Vollversorgung des Düsseldorfer Nordens.

Bettenhäuser setzten neue Standards

Die Enthospitalisierung trug dazu bei, dass die Bettenzahl sank. Damit entspannte sich auch die schlechte Unterbringungssituation. Diese verbesserte sich aber erst durch den Bau von zwei Bettenhäusern entscheidend. Die Bettenhäuser konnten 1976 zum 100. Jubiläum der Klinik in Betrieb genommen werden. Sie verfügten über rund 320 Betten und eine Tagesklinik für 40 Patient*innen. Das Raumangebot setzte völlig neue Maßstäbe: Höchstens vier Betten pro Zimmer, in der Regel aber Zweibettzimmer, für je vier Patienten eine Dusche und ein WC, großzügig bemessene und angenehm gestaltete Aufenthalts- und Ruheräume, Räume für Gruppenaktivitäten, eine wohnliche und für hauswirtschaftliche Aktivitäten gut eingerichtete Stationsküche gehörten zum Standardraumprogramm. Der verwinkelte Grundriss bot den Patient*innen zahlreiche Rückzugsmöglichkeiten und schuf Privatsphäre.

Neue Konzepte in der Suchtbehandlung

Neben der Verkleinerung der Einzugsgebiete, der Enthospitalisierung der Langzeitkranken und Menschen mit geistiger Behinderung wurden neue Konzepte entwickelt und umgesetzt. Ins Blickfeld kamen dabei zwei Patientengruppen, die neben den chronisch psychotisch Gestörten als besonders problematisch in der psychiatrischen Versorgung galten: Die älteren psychisch Kranken und die Alkoholabhängigen.

Suchtkranke, vor allem Alkoholabhängige und Konsumenten illegaler Drogen, wurden auf der Allgemeinen Aufnahmestation entgiftet. Hieran schloss sich eine intensive psychotherapeutische Behandlung an. Eine spezielle Station bot ab 1972 den Suchtkranken ein auf vier Monate angelegtes psycho-, sozio- und milieutherapeutisches Programm an. Auch nach der Entlassung betreute die Poliklinik oder das Stationsteam die Betroffenen weiter. Erstmalig wurden Angehörige, Ehepartner oder Eltern in das Betreuungskonzept eingebunden.

Neue Wege in der Gerontopsychiatrie

Die Entwicklung gerontopsychiatrischer Behandlungskonzepte ist maßgeblich mit der Tätigkeit von Dr. Christel Kretschmar verbunden. Sie baute ein komplexes Versorgungssystem auf. Im Inneren der Klinik wurden ältere Patient*innen durch aktivierende Pflege gefördert, altersgemäße Förder- und Therapieangebote mit somatischen und psychotherapeutischen Verfahren vorgehalten. Nach Außen wurde eng mit spezialisierten Pflegeheimen und später auch mit Sozialstationen zusammengearbeitet. 1978 wurde in Düsseldorf die erste gerontopsychiatrische Tagesklinik im Rheinland eröffnet. Sie wurde Modell für viele Gründungen im gesamten Bundesgebiet. Im Rahmen der Poliklinik wurde eine eigene gerontopsychiatrische Sprechstunde eingerichtet, die schon bald mehr als 1.000 Patient*innen jährlich aufsuchten.

Kinder- und Jugendpsychiatrie

1974 entstand aus den Stationen für Kinder und Jugendliche, die Panse elf Jahre zuvor eingerichtet hatte, eine eigenständige Klinik. Ihr Leiter wurde Dr. Heinz Krebs, einer der Pioniere der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Krebs' Ziel war es, von der Praxis der körperlichen Versorgung und bloßen Verwahrung wegzukommen. Die psychologische Situation des Kindes und sein soziales Umfeld wurden nun neben dem somatischen Krankheitsbild betrachtet. Wesentlich war für Krebs, die Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes zu sehen und zu unterstützen.

Die Arbeitstherapie wandelte sich

Seit jeher mussten die Kranken in Küche, Gärten oder auf den Stationen mitarbeiten, um den Anstaltsbetrieb aufrechtzuerhalten. Fraglich war, ob diese Art der Beschäftigung die Rehabilitation und Wiedereingliederung förderte. Insbesondere auf Initiative von Heinrich schloss die Klinik deshalb Verträge mit Düsseldorfer Industriebetrieben ab, die Teile ihrer Produktion in die Klinik auslagerten. Viele Patient*innen übten so normale Tätigkeiten und erleichterten für sich eine berufliche Wiedereingliederung. Trotz der geringen Löhne (pro Stunde gab es weniger als eine Mark) war der Zuverdienst eine willkommene Aufbesserung des Taschengeldes. Als im September 1974 einige Industrieaufträge gekündigt wurden und die Entgelte um 25 Prozent gekürzt wurden, zertrümmerten Patienten die Möbel einer Station. Der Vorfall wurde öffentlich und führte zu neuen Vereinbarungen. Mitte der siebziger Jahre waren ein Drittel aller Patient*innen in den Werkstätten der Klinik, den Versorgungsbetrieben oder in den Park- und Gartenanlagen beschäftigt.

Die Laienhilfe organisierte sich neu

Die Zustände in der Psychiatrie bewegten die Menschen und fanden ein öffentliches Forum. Forderungen wie die Diskriminierung psychisch Kranker zu beenden, ihre Bürgerrechte zu sichern und soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit zu schaffen, stießen in reformbewegten Bevölkerungskreisen auf Interesse und Zustimmung.

Berichterstattung wie Reformbestrebungen weckten auch das Engagement von Laien. In Düsseldorf gründete sich auf Initiative von Dr. Angela Kulenkampff die "Aktion Robinson". Zur Unterstützung der Aktion Robinson wurde 1969 der Verein "elan - Gesellschaft für Psychohygiene in Düsseldorf" gegründet. Der Verein wollte die große Kluft zwischen der Stadt und ihrem psychiatrischen Krankenhaus überbrücken. Die Aktion Robinson organisierte Freizeitangebote, legte 1973 einen Sportplatz auf dem Klinikgelände an und eröffnete in einer alten Straßenbahn eine Cafeteria. Auf den Sommerfesten, die elan ausrichtete, trafen sich bald auch die Nachbarn der Klinik.

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